Polarlicht: Leuchterscheinungen - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Die Lufthülle leuchtet
Physiker versuchten, elektrischen Strom sichtbar zu machen. Im Keller der Universität von Oslo blickte der Physiker Kristian Birkeland 1896 in einen (aus technischen Gründen nicht völlig) leergepumpten Glaskasten, in dem eine magnetisierte Kugel hing.

Beim Beschuss der Modellerde mit Elektronen bildeten sich leuchtende Ringe um die beiden Magnetpole aus. Auch die Aurora, so schloss Birkeland, entstünde durch Elektronen von der Sonne, die das Erdmagnetfeld zu den Magnetpolen hin lenken würde.


Angeregte Atome

Die rasanten Teilchen der Magnetosphäre, vorwiegend Elektronen, aber auch Protonen, folgen tatsächlich den Magnetfeldlinien zu den irdischen Magnetpolen. In jenen Höhen, wo schon genug atmosphärische Atome existieren, regen sie zunächst den atmosphärischen Sauerstoff- und dann Stickstoffmoleküle zur Lichtabgabe an.

Dabei werden Elektronen der irdischen Atome auf höhere Energielevel gebracht (bildlich "auf höhere Bahnen befördert"). Fallen diese Elektronen wieder zurück, wird Licht charakteristischer Wellenlängen abstrahlt. Die unermessliche Anzahl solcher Lichtblitze beschert uns das Phänomen "Polarlicht".

Voraussetzung für die Lichtabgabe ist, dass die Atome nicht schon zuvor mit anderen kollidieren. In allzu niedrigen Höhen wird die Lufthülle so dicht, dass die ständigen Kollisionen jede Lichtabgabe vereiteln.


Farbenspiel im Weltraum!

Allerdings dauerte es, bis man diesen Prozess verstand. Lange Zeit war überhaupt nicht klar, in welchen Höhen die Aurora überhaupt leuchtet. 1796 versuchte es der britische Chemiker Henry Cavendish mit einem Triangulationsverfahren: Zwei Beobachter sollten von weit getrennten Standorten die Höhenwinkel zu auffälligen Merkmalen innerhalb des Polarlichts messen.

Da nicht völlig klar war, ob beide tatsächlich dasselbe Merkmal anvisiert hatten, blieb das Resultat der Messung - 100 km - höchst umstritten. Manche meinten fälschlich, die Aurora würde quasi bis zu den Berggipfeln herab reichen.

Das Reich der Aurora ist die sogenannte Thermosphäre. 99,998 % der Atmosphärenmasse befindet sich darunter. Eigentlich ist man da im Weltall, das je nach Definition 80 oder 100 km über dem Erdboden beginnt.

Die Ausläufer der Atmosphäre greifen aber sehr viel weiter ins All hinaus, weshalb fast alle Satelliten, geostationäre Fernsehsatelliten ausgenommen, genau genommen "durch die Luft" fliegen. Das kostet ihnen Energie, weshalb man z.B. den Orbit der Internationalen Raumstation ISS auch immer wieder anheben muss (siehe hier bei Heavens Above).

Auch die ISS schießt also durchs Polarlicht. Einer ihrer Astronauten meinte, er fühle sich "wie in einer Leuchtreklame". Ein anderer erzählte, er könne die Aurora "fast berühren". Ein kurzes Video, gefilmt an Bord der ISS, finden Sie hier. Auch das Bild unten wurde aus der Raumstationen geschossen (Foto: NASA).
Die Farben der Aurora geben Auskunft über die Prozesse in der Erdatmosphäre - und über die ungefähren Höhen, in denen die Anregungsvorgänge passieren.

In großen Höhen leuchtet der Sauerstoff rötlich, in tieferen grünlich. Die Aurora trägt gewissermaßen ein rotes T-Shirt und einen grünen Minirock, eventuell mit pinkem Saum. Die Höhenangaben zur Lichtproduktion variieren je nach Quelle deutlich. Hier nach Schlegel:

    • Rot:       Sauerstoff, 150 - 400 km, dominant über etwa 230 km
    • Grün:    Sauerstoff, 90 - 260 km, dominant in 90 - 230 km Höhe
    • Violett:  Stickstoff, etwa 90 - 250 km, Maximum bei etwa 130 km

Weitere Tönungen können sich durch die Mischung solcher Farben ergeben.
Das grüne Leuchten des atomaren Sauerstoffs stammt fast zur Gänze von einer Emission bei 558 nm. Anfangs konnte man sie keinem Element zuordnen, da eine solche Emission im Labor nicht vorkam. Manche meinten, sie stamme von einem rätselhaften Element, das nur hoch droben existierte ("Geocoronium" genannt).
Ähnliches vermutete man auch für das rote Licht des Sauerstoffs, das von zwei Emissionen bei 630,0 und 636,4 nm stammt.

Tatsächlich treten solche Emissionen am Erdboden nicht auf - aber nur, weil hier die Luft zu dicht ist.

Extrem energiereiche Elektronen dringen manchmal noch weiter vor. Sie regen Stickstoffmoleküle zur promten Abgabe von ganzen Spektralbanden im violetten (v.a. 427,8 nm), blauen und tiefroten Bereich an.
Stickstoff mag dem Polarlicht also einen pinken Saum verpassen. Unter 70 km ist aber Schluss: Das Gas wird hier zu dicht.

Nach starken Sonneneruptionen können beschleunigte Protonen auch direkt in die Lufthülle vordringen und dort den Wasserstoff in großen Höhen zu einem schwachen roten Leuchten anregen. Im Spektrum dieses Lichts tritt eine Linie hervor, die in der Astronomie eine besondere Rolle spielt: die Alpha-Linie des Wasserstoffs bei 656 nm.

Übrigens werden atmosphärische Atome nicht nur angeregt, sondern teilweise auch ionisiert: So wird das Polarlicht zu einem Spiegel für Funkverbindungen.


Helligkeit höchst unterschiedlich

Die Helligkeit des Polarlichts hängt vom Ausmaß der magnetischen Störung ab. Es kann matt schimmern wie die Milchstraße, aber auch mit dem Glanz von mondbeschienenen Feder- oder Haufenwolken wetteifern oder angeblich sogar mit dem Glanz des Mondes rittern. Strahlt es besonders kräftig, mag es sich im Schnee widerspiegeln und alles in ein Meer aus Grün verwandeln.


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