Novae - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
Direkt zum Seiteninhalt
Novae - scheinbar neue Sterne
Heute unterschiedet man begrifflich zwischen Novae und Supernovae. Früher war das nicht so.


Die Zeit ist aus den Fugen

Als der dänische Astronom Tycho Brahe an einem Novemberabend des Jahres 1572 vor die Haustüre trat, erblickte er einen ihm völlig unvertrauten Lichtpunkt im Sternbild Cassiopeia. Der übertraf alle anderen an Glanz. Tycho nannte ihn "Stella Nova" (lat., neuer Stern) oder einfach nur "Nova" ("die Neue" - Sterne sind im lateinischen weiblich).

William Shakespeare kannte Brahes Werk über den neuen Stern. Er ließ den rätselhaften Stern zu Beginn seiner Tragödie Hamlet (verfasst 1601/1602) über Helsingör leuchten. Damals meinte man noch, der Himmel sei ewiglich und unvergänglich. Alte Sterne verblassten nicht und neue tauchten nicht einfach auf. Vielleicht ist im Stück deshalb "die Zeit aus den Fugen" (im englischen Original: "The time is out of joint").

Tycho Brahe hatte am Fontispiz seines Buchs außerdem seine ebenfalls adeligen Vorfahren angeführt. Shakespeare ließ sich von deren Namen inspirieren, verwendete sie für die beiden Jugendfreunde Hamlets: Rosencrantz und Guildenstern.

Kurz nach der Premiere von Hamlet am Globe Theater nahm der Himmelskartograph Johannes Bayer den Braheschen Stern - obwohl längst verloschen - sehr prominent in seinen Atlas Uranometria (Augsburg, 1603) auf (links unten im folgenden Bild).
Die Mehrzahl von "Nova" lautet "Novae".

Nach heutiger Terminologie erstrahlte 1572 aber keine Nova, sondern eine Supernova am Himmel - ein Objekt, das noch sehr viel mehr Licht aussendet als eine "gewöhnliche" Nova.

Außerdem wissen wir heute: Novae (und auch Supernovae) sind in Wirklichkeit keine neuen Sterne; vielmehr handelt es sich um kosmische Objekte, die uns ihrer Lichtschwäche wegen vor dem plötzlichen Helligkeitsausbruch nicht bekannt waren oder zumindest nicht sonderlich aufgefallen sind.


Weißer Zwerg

Am Ende ihres Sternenlebens blähen sich Sterne vom Format unserer Sonne mächtig auf, mutieren zu einem roten Riesenstern. Dann blasen sie ihre Gashülle ins All.

Der nun freigelegte Sternenkern, lange Zeit der Fusionsreaktor und die einzige Energiequelle des Sterns, liegt nun frei. Die Fusion von Wasserstoff zu Helium ist zum Erliegen gekommen. Aber der etwa erdkleine Kern ist anfangs extrem heiß. Deshalb strahlt er nicht nur weißes Licht aus, sondern auch starkes UV-Licht. Astronomen nennen eine solche Sternleiche "Weißer Zwerg".
Der Stern Keid wird von einem Weißen Zwerg (links) und der wieder auf enger Bahn von einem Roten Zwerg umkreist. Keid wird in Mia. Jahren ebenfalls zum Weißen Zwerg


Zwerge in Gesellschaft

Die meisten Sterne sind Teil eines Doppel- oder Mehrfachsternsystems. Hier umkreisen einander also zwei oder mehr Sonnen. Deren Entwicklungstempo hängt im wesentlichen von der Anfangsmasse ab. Je mehr Materie ein Stern besitzt, desto rascher verzehrt er sich.

Der massenreichere Sterne durchläuft sein Leben schneller. Er bläht sich noch vor dem Begleiter zum Roten Riesen auf und endet vor diesem als Weißer Zwerg. Irgendwann folgt aber auch der massenärmere Stern diesem Schicksal.

Wenn er sich zum Roten Riesen aufplustert, mag ein Teil seiner ausgedehnten Hülle vom Weißen Zwerg angezogen werden. Das Raubgas bildet zunächst eine Scheibe um den Zwerg und stürzt dann aus dieser auf die Zwergenoberfläche herab. Dort verdichtet sich die Beute. Meine recht naive Computergrafik aus den frühen Neunzigerjahren illustriert diesen Prozess.
Aufgrund der enormen Hitze an der Zwergenoberfläche kommt es ab einer bestimmten Masse gestohlenen Materials zu einer thermonuklearen Reaktion. Der angesammelte Wasserstoff, also quasi das Raubgut vom Begleitstern, fusioniert plötzlich zu Helium - jetzt aber nicht im Kern, sondern auf dem Antlitz des Zwergs.

So kommt es zu einem gewaltigen Helligkeitsanstieg. Der Stern ist plötzlich einige tausend- bis einige zehntausendmal heller als zuvor. Vermeintlich erblicken wir einen völlig neuen Stern und sprechen von einer "Nova".

Solche Novae erreichen absolute Helligkeiten um -8 mag. Eine schnelle Nova in 1.000 Lichtjahren Abstand erschiene an unserem Himmel glanzvoll wie die hellsten Sterne. Selbst eine solche Nova in 20.000 Lichtjahren Abstand würden wir noch mit freiem Auge erspähen. Allerdings nimmt die Helligkeit im Lauf der nächsten Monate wieder ab.

Am 29.8.1975 erstrahlte eine solche Nova im Sternbild Schwan. Die Nova Cygni 1975 war mit 2 mag hell genug, um es sogar in die ORF-Nachrichten zu schaffen. Entsprechend alarmiert, sah ich sie wenige Stunden später selbst am Himmel.
Allerdings war ich damals gerade 16 geworden - was die schlechte Aufnahme hoffentlich entschuldigt. Das Stativ knickte außerdem während der viel zu langen Belichtung auf dem Parkplatz ein.


Wiederkehrende Novae

Mit einer einzigen oberflächigen Nova-Explosion muss nicht Schluss sein. In derzeit zehn bekannten Fällen sammelt sich nach Jahrzehnten wiederum genug Wasserstoff an der Oberfläche des weißen Zwergsterns an. Es kommt zu einem weiteren Nova-Ausbruch. Dann spricht man von einer rekurrierenden Nova.

Astronomen sind gewarnt, sofern sich die Ausbrüche in einem fixen zeitlichen Abstand wiederholen. Vor allem Amateurastronomen mustern die verdächtigen Objekte immer wieder und versuchen, aus geringfügigen Helligkeitsschwankungen auf bevorstehende Ausbrüche zu schließen.

Wiederkehrende Ausbrüche sind nicht ganz so kräftig, steigern die Sternhelligkeit aber z.B. aufs 2.500-fache.


RS Oph

Eine dieser rekurrierenden Novae ist der mehrere tausend Lichtjahre entfernte RS Ophiuchi im Schlangenträger - hier fotografiert am 11.8.2021 (Bildmitte).
Der normalerweise 12,5 mag dunkle RS Oph strahlte in den Jahren 1898, 1933, 1958, 1967, 1985, 2006 und 2021 kräftig auf. Dabei erreichte er zeitweilig Helligkeiten um 4,5 mag. Der nächste Ausbruch wird vielleicht in den Dreißigerjahren unseres Jahrhunderts erfolgen.
T CrB

Ein anderer Vertreter dieser Gattung ist der zur Zeit um 10 mag helle Stern
T Coronae Borealis (kurz: T CrB), also der Stern T im Sternbild Corona Borealis (Nördliche Krone). T CrB ist etwa 3.000 Lichtjahre entfernt. Hier tanzen ein Roter Riese und ein Weißer Zwerg mit 1,35 Sonnenmassen umeinander - und zwar im Lauf von 227 Tagen.

Sammelt sich genug Wasserstoff des Roten Riesen auf der Zwergenoberfläche an, kommt es zu einem Ausbruch. Starke Ausbrüche erfolgen offenbar im Abstand von acht Jahrzehnten. Sicher beobachtet wurden zwei: 1866 und 1946. Weitere, mutmaßlich diesen Stern betreffende Berichte stammen aus 1787 und 1217.

Ab 2024 könnte es wieder so weit sein: T CrB mag dann plötzlich um 2 mag erstrahlen (wie 1975 die Nova Cygni). Diese Nova wäre dann etwa so hell wie der Hauptstern der Nördlichen Krone und würde die Form dieses Sternbilds dann dramatisch verändern. Die Grafik zeigt die Position von T CrB markiert von einem roten Kreuz:
Brad Schaefer von der American Association of Variable Star Observers blickt dem nächsten Ausbruch voller Enthusiasmus entgegen - wie seine Youtube-Präsentation "Recurrent Nova T CrB - Coming Soon to a Sky Near Your" zeigt. In der ersten Woche der Eruption, so meinte er Ende 2023, würde sich wahrscheinlich die Hälfte aller professionell betriebenen Teleskope auf T CrB richten.

Und das muss rasch gehen: Innerhalb weniger Stunden wird die Helligkeit dieses Doppelsterns um das 1600-fache steigen, etwa eine Nacht lang auf diesem Niveau verharren und dann rasch, in bloß einer Woche, unter die Sichtbarkeitsgrenze fürs freie Auge sinken. Bald ist der Stern wieder so lichtschwach wie zuvor.

Falls Sie diesen Lichtrückgang nach erfolgtem Ausbruch mitverfolgen möchten, bietet die (auf Veränderliche Sterne spezialisierte) AAVSO eine Karte mit nahen Vergleichssternen an. Die Zahlen geben deren Helligkeiten in mag an, wobei das Dezimaltrennzeichen unterdrückt wird (42 steht beispielsweise für 4,2 mag).

Mitglieder der Bundesdeutschen Arbeitsgruppe für Veränderliche Sterne (BAV) registrierten im März und April 2023 einen verräterischen Helligkeitsabfall ("pre-eruption dip"): Demnach könnte es bereits im Frühjahr 2024 zu einem Nova-Ausbruch kommen!

Extragalaktische Novae - nur für Fotografen

Extragalaktische Novae sind Novae in anderen Galaxien. Doch selbst eine sehr helle Nova erschiene uns aus 2,5 Mio. Lichtjahren Abstand nicht heller als 16 mag. Und da sprechen wir erst von der allernächsten fremden Milchstraße, dem Andromedanebel M31. Dieser matte Schimmer reicht nicht für visuelle Beobachtungen am Fernrohr. Fotografen tun sich leichter.

Ein Spezialfall sind Novae in den beiden Magellanschen Wolken. Diese Zwerggalaxien werden unserer Milchstraße manchmal zugeschlagen, manchmal nicht. Entfernungen: 163.000 bzw. 206.000 Lichtjahre. Eine dort aufstrahlende Nova wäre bestenfalls 10,5 mag hell und somit im Amateurteleskop sichtbar. Allerdings stehen beide Wolken am Südhimmel. Von Österreich aus lassen sie sich nie blicken.

Hier finden Sie eine aktuelle Liste extragalaktischer Novae: Fast alle werden in M31 gefunden.
Galaktische Novae selbst beobachten

Bei einer Nova wird man Zeuge eines gewaltigen kosmischen Ereignisses.
Jedes Jahr kennt etwa ein halbes oder ein ganzes Dutzend solcher Erscheinungen. Nicht alle davon sind von unseren Breiten aus sichtbar. Angesichts einer Distanz von vielen tausend Lichtjahren braucht es für die meisten Novae außerdem ein Fernglas oder ein Teleskop. Nur wenige sind hell genug fürs freie Auge.

Eine aktuelle Liste dieser galaktischen Novae bietet dankenswerter Weise Koji Mukai (NASA). Internet-Adresse:

Eine ebenfalls laufend aktualisierte, weit in die Vergangenheit zurückreichende Liste von Bill Gray, dem Autor der formidablen Astronomie-Software Guide, findet man hier:

Diese Listen geben Sternbild, Position, Entdeckungsdatum und Spitzenhelligkeit an. Da Novae bald an Glanz verlieren, sollte man die Beobachtung möglichst bald nach der Entdeckung aufnehmen. Am besten, man legt sich einen Link auf Kojis Mukais oder Bill Grays Liste und ruft diese im Abstand weniger Tage immer wieder neu auf.
Am Entdeckungstag von mir astrometriert: Zwergnova AT2020saz im Adler, 14,5 mag


Wer nicht zögert, registriert vielleicht noch einen kurzen Helligkeitsanstieg nach der Entdeckung. Häufiger verfolgen Sternfreunde aber das Abklingen des Ausbruchs mit.

Eingeschworene Amateure schätzen die Helligkeit sogar an jedem Abend neu, kommen dabei im Vergleich mit anderen Sternen auf eine Auflösung von etwa 0,1 mag. Sie melden ihre Messungen z.B. an die AAVSO, die American Association of Variable Star Observers - oder an die Fachgruppe "Veränderliche Sterne" der Vereinigung der Sternfreunde in Deutschland.
Mithilfe einer Kamera lässt sich die resultierende Lichtkurve sogar fotometrisch erfassen. Bei helleren Novae genügt dazu eine DSLR samt Fotostativ - wie das Einzelfoto der Nova Delphini (2013) oben belegt. Bei schwächeren Novae muss man durchs nachgeführte Teleskop fotografieren und die Vorteile der Deep Sky Fotografie nutzen.
Im Teleskop erkennt man daher eventuell eine rosarbige Tönung, sofern das Auge genug Licht zum Farbsehen erhält. Das Foto der Nova Delphini (2013) lässt diese Tönung erahnen:
Der Grund für diese Kolorierung: Eine Nova gleißt speziell im Licht des Wasserstoffs. Dieser sendet Licht vor allem in zwei sehr engen Spektralbereichen aus: Die rote H Alpha Linie liegt bei 656 nm, die bläuliche H Beta Linie bei 486 nm.

Die beiden Emissionen traten u.a. im Spektrum der Nova Delphini hervor:
Auch Amateure können das Spektrum einer Nova festhalten. Dazu muss man ein Spektralgitter in den Strahlengang zwischen Teleskop und Kamera einbringen.
Hier das "Regenbogenband" beim Nova-Ausbruch des RS Ophiuchi: Die beiden erwähnten Wasserstoff-Emissionen sind abermals prominent.
Beobachtungsaufgaben

  • Gelingt es Ihnen, eine Nova freiäugig, im Fernglas oder mit dem Teleskop zu erspähen?
  • Welche Farbe würden Sie ihr zuschreiben?
  • Können Sie eine Nova im Bild festhalten?
  • Wie nimmt deren Helligkeit ab?
Alle Angaben ohne Gewähr
Zurück zum Seiteninhalt