Mondkrater - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Mondkrater - die kleinen Flecken Galileis
Im Herbst 1609 richtete Galileo Galilei von Padua aus ein von ihm angefertigtes Teleskop mit 30-facher Vergrößerung zum Mond. Dabei bot sich ihm ein überraschender Anblick, den der Gelehrte in Worten und Zeichnungen festhielt.

Galilei sprach von großen und kleinen Flecken. Die großen Flecken nennen wir mittlerweile Mondmeere. Auf dieser Seite geht es aber um Galileis kleine Flecken, die heutigen Mondkrater.
Wie Galilei erkannte, besaßen die kleinen Flecke innen einen schwarzen, der Sonnenrichtung zugewandten Teil. Hier sah er offensichtlich den Schatten des jeweiligen Kraterwalls am Kraterboden.

Dieser Schatten schrumpfte, während die Sonne höher stieg. Die davon abgewandte Seite leuchtete hingegen kräftig im Sonnenlicht auf, "glühenden Bergrücken gleich". Der Kraterboden lag offenbar tiefer als der Kraterwall. Den gleichen Anblick, so schloss der Italiener, würden auch Täler auf der Erde bieten, beobachtete man sie nach Sonnenaufgang.

Etwa in der Mitte des Mondes fiel ihm ein Krater auf, der größer als alle anderen schien und sich in vollkommen runder Gestalt präsentierte.
So sähe Böhmen aus, wäre es ringsum von hohen Bergen umschlossen - meinte Galilei im rasch publizierten Büchlein Sternenbote.

Dessen lateinischer Titel Sidereus Nuncius (Venedig 1610) wird oft auch mit Sternenbotschaft übersetzt.

Rechts: Eine Mondzeichnung Galileis
Wie mit dem Zirkel gezogen

Johannes Kepler war von Galileis Schilderungen beeindruckt. Bald konnte er auch selbst zum Mond blicken und die kleinen rundlichen "Flecken" studieren. Damals kannte man keine natürliche Kraft, die stets kreisförmig begrenzte Strukturen schuf.

Rechts: Zeichnung aus dem späten 19. Jh., erstellt von Ladislaus Weinek an der Prager Sternwarte

Für Kepler waren die runden Gebilde deshalb künstliche Bauwerke. Mondbewohner rammten, so glaubte Kepler, zunächst einen Pfahl in den Boden. Dann zeichneten sie mit meilenlangen Tauen einen weiten Kreis, auf dem sie dann einen hohen Erdwall aufschütteten.
Während die Sonne über den Mondhimmel zog, folgten sie, so Kepler, dem Schatten des Erdwalls, um Schutz vor der sengenden Hitze zu suchen. Spätere Astronomen sahen die Krater nüchterner: Sie erklärten sie zu riesigen, lunaren Vulkanen.


Rechts: Weitere Mondzeichnung von Prof. Weinek, einem österreichisch-ungarischen Astronomen
Eine Frage des Namens
In der Antike mischte man gern den Wein mit Wasser. Die Griechen bedienten sich dazu großer Mischkrüge mit aufgewölbtem Rand, kratér genannt. Später nannte man so die runden Öffnungen irdischer Vulkane. Ab dem 17. Jh. finden wir diese Bezeichnung bei ähnlich anmutenden Gebilden auf der Mondoberfläche wieder.

1651 taufte der Jesuit Giovanni Riccioli größere Krater nach Theologen, Heiligen und Wissenschaftlern. Er versetzte uunter anderem auch Tycho und Kepler auf den Mond. Hingegen ignorierte er den von der Inquisition verurteilten Galilei.
Ricciolis Kreationen: r.u. Catharina, darüber Cyrillus, darüber Theophilus. Hypatia (l.o.)
Dafür widmete er der heiligen Katharina und der ebenfalls aus Alexandria stammenden, von Christen ermordeten Philosophin Hypatia je einen Krater. Mit diesen und weiteren Benennungen legte Riccioli den Grundstein der Kraternomenklatur.

Spätere Forscher schlossen sich ihm an, wählten zur Kraterbenennung z.B. weitere Wissenschaftler, Künstler oder Schriftsteller. Später, im Zeitalter der Raumfahrt, verfuhr man so auch auf anderen Welten.
Copernicus als Beispiel

Riccioli trat für das tychonische System ein. Das kopernikanische System mit seiner in Bewegung befindlichen Erde fand er weniger plausibel. Es durfte in den katholischen Ländern sowieso nicht für wahr gehalten werden.

Dennoch widmete Riccioli dem polnischen Domherren und Astronomen Kopernikus einen überaus prominenten Mondkrater: Der Krater Copernicus taucht am 9. Tag nach Neumond am Terminator auf und ist leichte Beute für kleine Fernrohre.

Wir nützen Copernicus, um die Kratermorphologie vorzustellen. Sie befasst sich mit Form und Gestalt von Einschlagsnarben.
Links unten: Copernicus taucht am Terminator auf
Vor 850 Mio. Jahren rammte sich ein etwa 5 km großer Brocken aus dem All mit 75.000 km/h in die Mondoberfläche. Da die Bewegungsenergie mit dem Quadrat (!) der Geschwindigkeit zunimmt, entfaltete der Einschlag eine unvorstellbare Zerstörungskraft.

Im Moment des Impakts (vgl. lat. impingere, einschlagen) wurden sowohl das kosmische Geschoss als auch das lunare Zielgestein auf einen Bruchteil ihres Volumens zusammen gepresst und entsprechend arg erhitzt. Die Materie schmolz und verwandelte sich in Gas.

Die Schockwelle breitete sich explosionsartig vom Einschlagspunkt aus – und das in alle Richtungen gleichzeitig! Das erklärt, warum fast alle Impaktkrater, von oben besehen, kreisrund sind. Zwar erscheinen sie uns fern der Mondscheibenmitte elliptisch, doch diese Verzerrung ist bloß unserer Perspektive geschuldet.
Die Impaktenergie verwandelte das Gestein zu Glas, zertrümmert es in scharfkantige Stücke und mahlte es zu feinem Pulver. Die Explosion warf Materie vom Einschlagspunkt fort und sprengte so ein tiefes Loch.

Im Fall des Copernicus türmte sich das maltretierte Gestein in 45 km Abstand vom Einschlagspunkt ringsum zum Kraterwall auf. Der Kamm des Walls überragt das Umland um 900 Meter; der Kraterboden liegt 4.000 m darunter.
Wie bei größeren Kratern üblich, rutschte ein Teil des zertrümmerten Materials ab.

Die Innenseite des Walls zerfiel deshalb in drei Terrassen. Copernicus terrassierte sich quasi selbst.
Der Krater Copernicus
Gleichzeitig federte der zusammen gestauchte Mondboden am Einschlagspunkt zurück. Gestein aus der Tiefe wölbte sich zu einem Zentralberg auf.

In Mitten des Copernicus blieben drei einzelne Erhebungen zurück, von denen allerdings keine die Höhe des Walls erreicht. Bei kleineren Kratern erblicken wir bloß einen einfachen Zentralberg, bei noch kleineren fehlt die zentrale Erhebung.
Das hoch geschleuderte Mondgestein regnete auch in den gerade entstandenen Krater zurück, schüttete diesen teilweise wieder zu. Das ist der Grund, warum Copernicus in seiner Mitte kein Gebirgsmassiv, sondern nur drei isolierte Gipfel präsentiert.

Beim Impakt schoss maltretiertes Gestein auch über den Kraterrand hinaus. Copernicus zeigt sich deshalb von einer buckelig anmutenden Auswurfdecke umschlossen. Wegen der geringeren Schwerkraft und der fehlenden Atmosphäre überwand die Materie sogar viele hundert Kilometer: Copernicus ist daher das Zentrum eines eindrucksvollen Strahlensystems.
Hochland mit Krater Petavius (Mitte), im IR-CH4-Band
Mondkrater überdauern Jahrmilliarden – es sei denn, es kommt in ihrer Nähe zu einem weiteren Einschlag. Oft sehen wir im Teleskop, wie der Wall eines Kraters selbst von einem weiteren eingedrückt wurde. Mitunter ist selbst der Rand dieser jüngeren Impaktnarbe nochmals durchbrochen worden. Das macht die zeitliche Abfolge der einzelnen Impakte, die Kraterchronologie, offensichtlich: Jüngeres liegt immer auf älterem.

Kleinere Eintiefungen im Boden größerer Krater müssen daher ebenfalls jüngeren Datums sein. Der 225 km weite Krater Clavius wurde offensichtlich mehrmals getroffen.

Hochland nahe dem lunaren Südpol
In den extrem alten lunaren Hochländern drängen sich Krater dicht an dicht. Die meisten sind 4 Milliarden Jahre alt und älter. Jeder neue Krater zerstörte ganz oder teilweise ältere Impaktstrukturen. Die Landschaft ist deshalb mit Kratern geradezu gesättigt. Das verleiht den uralten Hochländern ein raues, wildes, chaotisches Aussehen.

Hingegen beweisen die relativ wenigen Krater in den Mondmeeren: Nach dem Erstarren der Lavadecken ist die Einschlagsrate niedrig geblieben.
Auf Erden radieren Erosion und geologische Kräfte Einschlagskrater fast immer aus, verändern sie bis zur Unkenntlichkeit. Der Mond zeigt sie hingegen in Lehrbuchqualität.

Außerdem führt er uns klar vor Augen: Je weniger Krater eine Landschaft zeichnen, desto jünger ist sie. Anhand der von den Apollo-Astronauten gezielt entnommenen Gesteinsproben ließ sich diese relative Beziehung sogar in absoluten Zahlen, also in Jahrmillionen, eichen.
Vulkantheorie vs. Impakttheorie
Die meiste Zeit hinweg hielt man Mondkrater - der Form wegen - für vulkanisch entstandene Gebilde, machte also innere Kräfte des Mondes für deren Entstehung verantwortlich.

Irdische Vulkane sind hohe, meist steile Aufschüttungen aus dem Erdinneren. Mondkrater wirken hingegen flach und sind mitunter über hundert Kilometer weit. Im Vergleich dazu wären irdische Vulkane Zwerge.

Im 19. Jh. modifizierte man daher die Mondvulkantheorie. Man glaubte, hier die mächtigen, eingestürzten Schmelzkammern früherer Vulkane - Calderen - zu sehen.
Caldera des Gunung Bromo, Java
Man stellte sich gewaltige Gasblasen vor, die einst aus dem Mondinneren hochgestiegen und an seiner noch zähflüssigen Oberfläche zerplatzt wären. Man schlug Magmaschübe vor, welche die Kraterränder wie Schollen übereinander getürmt oder konzentrische Ringe erstarrter Masse zurückgelassen hätten.

Kurzum: Man suchte die kraterbildende Kraft im Mondinneren. 1893 spekulierte Grove Gilbert zwar mit Meteoriten als Verursacher. Er konnte allerdings nicht erklären, warum deren Einschlag stets kreis­runde Sturkturen hinterlassen hatte. Das scheinbare Fehlen ähnlicher Wunden auf Erden passte auch nicht ins Bild.

Erst Mitte des 20. Jahrhunderts sollte man die lunaren Krater zweifelsfrei als Einschlagsnarben von unzähligen, auf den Mond gestürzten Kleinkörpern entlarven. Vor allem die Arbeiten des US-Amerikaners Ralph Balwin brachten den entscheidenden Umschwung: 1949 schrieb er The Face of the Moon (Download des Klassikers als pdf übers Internet Archive, USA).
Auf dem Mond oder in einer Caldera?
Wie Baldwin argumentierte, ließen sich praktisch alle lunaren Landschaften durch von außen wirkende Kräfte erklären. Baldwin fasste die einschlagenden Himmelsobjekte unter dem Begriff "Meteorite" zusammen: Dies können Kleinplaneten oder Kometen gewesen sein.

Deren Einschlagsenergie steigt proportional mit der jeweiligen Masse, aber gleich quadratisch mit ihrem Tempo. Wir haben es im All mit kosmischen Geschwindigkeiten zu tun, also gleich mit Dutzenden Kilometern pro Sekunde. Daher ist die Einschlagsenergie enorm.

Bis heute kommt es gelegentlich zu Einschlägen auf dem Mond. Die von Apollo-Astronauten zurück gelassenen Seismometer belegten dies.

Mitunter werden Astronomen sogar selbst Zeugen eines lunaren Impakts. So krachte während der totalen Mondfinsternis im Jahr 2019 ein koffergroßes Objekt von mutmaßlich 45 kg Masse mit 61.000 km/h in die Mondoberfläche. Mit der Zerstörungskraft von 1,5 Tonnen TNT hinterließ der Impakt wohl einen bis zu 15 Meter weiten Krater.

Der resultierende Impaktblitz dauert 0,28 Sekunden und wurde sogar von Amateuren registriert. Auch mir gelang damals eine Aufnahme. Daraus ermittelte ich einen Einschlagsort nahe dem Krater Lagrange G.
Glücksfall im Jahr 2019: Einschlag während einer Mondfinsternis
Den Mond selbst beobachten
Kein anderes Himmelsobjekt präsentiert so viele Details im Fernrohr, wie sie der Mond bereits dem freien Auge darbietet. Unter Einsatz optischer Mittel steigt die Zahl beobachtbarer Einzelheiten dramatisch an. Im Feldstecher können Sie die leicht unterschiedlichen Grautöne der Mondmeere studieren.

Das Fernglas reicht allerdings nicht, um die Mondkrater klar zu erkennen. Dafür ist seine Vergrößerung zu schwach. Aber bereits ein kleines Fernrohr zeigt tausende, das leistungsfähigste Teleskop ein paar hunderttausend Krater. Was schmächtiger ist als ein bis zwei Kilometer, entzieht sich allerdings unserem Blick. Die chaotischen Bewegungen der irdischen Lufthülle setzen der Trennschärfe eine unüberwindbare Grenze.

Besonders dramatisch ist der Anblick am Terminator, wenn zuerst die Wallspitzen und dann immer weitere Teile des Walls aus der Dunkelheit tauchen.

In der Nähe dieser Licht-Schatten-Grenze wirken Krater am plastischsten. Denn dort steht die Sonne noch oder bereits tief überm Mondhorizont. Entsprechend lange Schatten werfen Mondformationen dann. Falls Sie wissen möchten, wann eine bestimmte Formation am besten zu beobachten ist, empfehle ich die Suchfunktion der Seite www.der-mond.de.
Die eindrucksvollsten Nächte für erste Kraterbeobachtungen liegen rund ums erste bzw. letzte Mondviertel.

Speziell in größeren Teleskopen kann die Helligkeit des Mondes zum Problem werden. Da helfen Filter.

Es gibt etwa farbneutrale Gläser (zum Beispiel einfache Polarisationsfilter) zum Einschrauben ins Okular.

Schraubt man zwei solcher Polfilter hintereinander, lässt sich der Lichtdurchlass in Grenzen regeln - durch Verdrehen der beiden Filter gegeneinander.

Am bequemsten geht das, wenn ein Filter fest, das andere drehbar ist.
Alternativ lassen sich Farbfilter einsetzen, speziell rote. Denn im langwelligen Bereich ist die Luftunruhe geringer, das Seeing somit besser.
Beobachtungsaufgaben
  • Können Sie das relative Alter der Landschaften anhand der Kraterzahl schätzen?
  • Erkennen Sie terrassierte Wälle bei größeren Kratern?
  • Finden Sie Krater, deren Wälle von späteren Einschlägen tw. zerstört wurden?
  • Erblicken Sie jüngere Krater in älteren?
  • Finden Sie Krater, deren Böden von Lava überflutet und so geglättet wurden?
  • Erspähen Sie "Geisterkrater", deren Wälle fast ganz in den Lavafluten ertranken?
  • Sehen Sie Krater mit einem Zentralberg?
  • Finden sie Krater mit mehr als einem Zentralberg?
  • Gibt es Krater mit ganzen Zentralgebirgen in der Mitte?
  • Sehen Sie Auswurfdecken knapp außerhalb von Kratern?
  • Versuchen Sie, den Anblick der Hochländer in Worte zu fassen!
Fototipps gefällig?
    Die größten Krater lassen sich schon mit einer DSLR im Fokus eines langbrennweitigen Teleskops festhalten. Eine einzelne Aufnahme wird meist durch die Luftunruhe kompromittiert; es gibt aber Glückstreffer.

    Um Bilder wirklich nachschärfen zu können, muss man einen ganzen Stapel von Fotos stacken. Begnügt man sich mit geringer Auflösung, so mag der LiveView der DSLR reichen - man speichert seine Frames als minutenlanges Video oder als üppige Serie von Einzelbildern ab. Besser ist es aber, eine große Anzahl von Einzelbildern in Fotoauflösung zu stacken.  

    Die optimale Auflösung erzielt man mit den feinen Pixeln einer Planeten-Cam, also einer CCD/CMOS-Kamera. Auch hier fertigt man ein Video an und stackt dessen Frames zu einem Summenbild.
    Stacking von Mondvideoframes mit AutoStakkert
    Bei Mondkratern reichen fast immer Schwarzweißaufnahmen. Daher kann man fröhlich mit Filtern experimentieren, ohne sich um Farbstiche scheren zu müssen: Ein Rotfilter mindert die Luftunruhe.

    Schmalbandfilter erzielen ebenfalls eine bildberuhigende Wirkung. Amateure mit IR-empfindlichen Cams weichen gern ins Infrarot aus. Einige setzen sogar IR-Schmalbandfilter ein (z.B. ein Methanbandfilter wie in obigem Foto).
    Alle Angaben ohne Gewähr
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