Polarlicht: Ablauf und Formen - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Ablauf und Formen
Ich halte hier den Ablauf fest, wie ich ihn im Herbst 1989 bei einem zweiwöchigen Aufenthalt nahe Alta, Nordnorwegen, mehrfach beobachtet habe. Ich weilte auf 70 Grad nördlicher Breite. Damals war die Sonnenaktivität an sich besonders hoch. Den aktuellen Kp-Index konnte ich erst jetzt abrufen.

Das GFZ German Research Centre for Geosciences in Potsam bietet nämlich eine bis 1932 zurück reichende Auflistung. Demnach schwankte der Kp-Index während dieser beiden Wochen zwischen 1 und 4 (im Mittel lag er bei 3).
Den eigentlichen Höhepunkt des Schauspiels, den Aufbau einer Nordlichtkrone, sah ich wohl bei den stärkeren erdmagnetischen Stürmen. Ob man das Nordlicht so intensiv und in all seinen Facetten erlebt, hängt, etwas vereinfacht gesagt, von der geografischen Breite und vom aktuellen Kp-Wert ab.
Himmelsschauspiel in mehreren Akten

Das Drama begann abends gern mit einem ruhigen silbrigen oder grünlichen Bogen aus Licht, der sich einer Bücke gleich von Ost nach West übers Firmament spannte.
Er teilte sich in zwei oder drei parallele Bänder. Die drifteten langsam auseinander und formten nacheinander himmlische Spiralen. Diese schienen nach den Berggipfeln zu greifen.
Eines der Bänder legte sich nun in Schlingen und zog einer Riesenschlange gleich übers Firmament. Dann taten es ihm die anderen gleich. Das Bild erinnerte an Milch, die ganz langsam in eine pechschwarze Flüssigkeit gleitet.
Dann lösten sich die Bänder in feine, vertikale Strahlen auf. Die Himmelskugel erhielt eine verblüffende, geometrische Struktur.
Fast schien es, als baute eine überirdische Macht ein gewaltiges Kuppelgerüst aus Licht über meinem Kopf.

Tatsächlich konnte ich nun Magnetismus mit meinen Augen sehen, denn die Strahlen zeichnen ganz offensichtlich die Feldlinien des Erdmagnetfelds nach. Es war, als schenkte mir die Aurora einen magnetischen Sinn.
Als wollten sie einen Staffellauf proben, leuchteten die Strahlengarben an manchen Stellen auf, um ihren Glanz beim folgenden Verblassen an ihre Nachbarn weiterzureichen.

Deren relativ scharfe Untergrenze erschien gewellt, wie der Saum eines Vorhangs. Es mutete an, als wehte eine Draperie, ein Vorhang aus Licht in einem sanften, lautlosen Wind.
Plötzlich wurde mir klar: Die Strahlen strebten auf einen einzigen Punkt hoch droben zu. Dort Im Zielpunkt ward der Schein immer intensiver und pulsierte in einer Geschwindigkeit, die sich mit den sekundenlangen Belichtungszeiten meiner Kameras nicht mehr einfangen ließen.

Während die Strahlen den gesamten Himmel strukturierten, spielte das Licht im Zentrum der Nordlichtkrone mit hellen grünen, mit roten und mit blauen Schattierungen.
In einer Folge gewaltiger Entladungen erreichte das Schauspiel damit seinen Höhepunkt. Die Schlittenhunde im Gehege stimmten ein Heulen an, das zwei Minuten später wie auf einen geheimen Befehl verstummte.

Die Bewegungen rissen ab, die Strahlen verblassten und auch die Bänder verloren an Glanz. Am Ende zog wieder ein einsamer Bogen über den Himmel. Er teilte diesen in eine sternklare schwarze, und eine hellere, milchige Hälfte.
In manchen Nächten wiederholte sich das Spektakel noch ein- oder zweimal, doch meistens blieb die erste Entladung auch die eindrucksvollste.
Immer vorausgesetzt, man steht zur richtigen Zeit am richtigen Ort:
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