Polarlicht: Situation in Österreich - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Das Polarlicht - Sichtungen auch in Österreich möglich
In der Erzählung „Bergkristall“ schildert Adalbert Stifter 1845 das Schicksal zweier Kinder, die sich in der Heiligen Nacht im Gebirge verirrt haben. Über ihnen erscheint ein zunehmend heller werdender Bogen aus Licht am Sternenzelt:

„Auch in andere Gegenden des Himmels sandte er einen Schein, der schimmergrün sachte und lebendig unter die Sterne floss. Dann standen Garben verschiedenen Lichtes auf der Höhe des Bogens wie Zacken einer Krone und brannten“.

Der Österreicher erzählt hier zweifellos von einem Polarlicht - jedoch in einer Form, die den Bewohnern nördlicher Gefilde vertraut ist. In unseren Breiten zeigt sich das Licht sehr selten. Meist dominiert hier Rot, nicht Grün.

Das belegt auch jene Schilderung, die Maximilian Hell 1777 ans „Wienerische Diarium“ schickte; so hieß die 1703 gegründete und 2023 von der Bundesregierung versenkte Wiener Zeitung damals. Der Gründungsdirektor der ersten Wiener Universitätssternwarte schrieb:

„Abends gegen halb sieben Uhr bemerkten wir eine neue Röthe am Himmel in der Gegend zwischen Niedergang und Norden; es erschienen einige rötliche, dunkle, vom Horizont bis an den Schweif des Großen Bären hinaufreichende bewegliche Streife, die bald heller, bald dunkler wurden“.
Rot statt grün, diffus statt strukturiert

Aus unserer Perspektive liegt der untere, grün leuchtende Abschnitt der Aurora unter dem Horizont, quasi "hinter der Erdkrümmung". Wir sehen primär den oberen, rot glänzenden Abschnitt. Deshalb schaut das Polarlicht bei uns, sofern wir es überhaupt zu Gesicht bekommen, anders aus als z.B. in Nordnorwegen. Dort dominiert Grün, bei uns Rot. Dort ist es klar strukturiert, bei uns eher diffus.

Nun wird klar, warum das seltene Schauspiel in Mitteleuropa früher Assoziationen mit Krieg, Blut und Feuer weckte. 1989 befürchteten Oberösterreicher bei einer solchen Erscheinung einen Chemieunfall in Bayern; in Kärnten rückten Feuerwehren aus, um einen vermeintlichen Großbrand zu löschen.
Das Nordlicht vom 6./7. April 2000: In Wien erstreckte es sich in großfleckiger Struktur von Nordwest  bis Nordost.

Es erreichte die Höhe des Polarsterns - und glänzte an der hellsten Stelle gelb
America first - aber bitte nur magnetisch

Gern wird in Polarlichtprognosen von hohen, mittleren oder niedrigen Breiten gesprochen. Obwohl es dazu keine verbindliche Definition gibt, ist Österreich magnetisch bloß in den niedrigen Breiten angesiedelt.

Aufgrund der verschobenen Lage der Magnetpole sind Beobachter in den USA stets im Vorteil, selbst wenn sie auf dem gleichen geografischen Breitengrad stehen wie wir: Über dem Lake Superior erblickt man die Aurora eher als überm Neusiedler See.


Die fetten Jahre sind nun da!

Jetzt, wo die Sonnenaktivität hoch ist und Ende 2024 oder 2025 ihr Maximum erreichen wird, treten starke Sonnenstürme häufiger auf. Damit bieten sich auch Sichtchancen von Österreich aus.

Österreich befindet sich normalerweise 2.000 bis 2.500 km südlich des arktischen Lichtrings. Doch nach heftigen Sonnenstürmen verbreitert sich das nördliche Polarlichtoval kurzzeitig. Es mag sich dann weit Richtung Süden vorschieben.
Dann bestehen auch Chancen von Österreich aus - hier sah man es z.B. am 7.4.2000 und am 17.3.2015.

2023 erschien es gleich mehrmals.

Foto links:
Rot und grün in Alta, Norwegen
Kennziffer sieben

Österreich bräuchte eigentlich einen Wert Kp = 9+ (die Werte 10 oder 11 gibt es auf der Kp-Skala nicht), damit die Aurora bei uns im Himmelsscheitel steht. Derart starke Störungen des Erdmagnetfeld kommen extrem selten vor.

Wir haben aber Glück: Der obere Abschnitt der Aurora guckt schon über unseren Nordhorizont, wenn sie etwa 1.000 km weiter nördlich im Zenit thront - auf etwa 57° Breite. Dort liegen z.B. durch Dänemark, Südschweden oder Lettland.

Für horizontnahe Sichtungen sollte uns - das ist freilich nur eine Annäherung - somit bereits Kp=7 bzw. ein Sonnensturm von G=3 ausreichen. Natürlich wären höhere Kp-Werte noch besser.

Schauen wir uns einige Sichtungen in Österreich an - und den korrespondierenden Kp-Index laut GFZ-Potsdam:

  • 6./7.4.2000 - selbst in Wien beobachtet: Kp = 8 bis 9
  • 17.3.2015: Kp = 7 bis 8
  • 23./24.3.2023: Kp = 7 bis 8
  • 24./25.9.2023: Kp = 6
  • 5.11.2023: Kp = 7

Übrigens muss man nicht bis Mitternacht warten, wenn der Kp-Wert hochschnellt. Denn bis dahin mag er schon wieder gesunken sein.

Am 5.11.2023 sahen z.B. jene Beobachter das rote Licht über Österreich, die etwa zwischen 18 und 20 Uhr schauten und dabei freien Blick bis tief hinab zum Nordhorizont genossen. Beobachtungsberichte las man zeitnah auf der Facebook-Seite der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie, unter
Freie Sicht gen Norden wichtig

Weil der Ring ja nördlich von uns thront, ist ein freier Blick nach Norden nötig - was angesichts wilder Bauwut selbst am Wiener Stadtrand zur Herausforderung geraten kann.

Am besten, man verlässt die Großstadt Richtung Norden. Denn die wachsende Lichtverpestung in der Stadt und ihrem Umland raubt uns den Sternenhimmel.
Auch bei teils bewölktem Himmel muss man die Kamera nicht im Haus lassen
Oder sind's doch bloß Wolken?

Das künstliche Licht von Stadtautobahnen strahlt auch Wolken mit rötlichen Tönen an. Das kann irritieren. So lässt sich prüfen, ob man wirklich die Aurora sieht - und nicht bloß Wolken:

    • Der Kp-Wert ist ungewöhnlich hoch
    • Sterne scheinen ungetrübt durchs Polarlicht hindurch
    • Rote Flächen der Aurora pulsieren oft im Rhythmus von mehreren Sekunden, was man im Fernglas mitunter besser erkennt
    • In der Aurora mögen hellere, feine vertikale Strahlen auftauchen
Am Abend des 24.3.2024 gab es einen vielversprechend hohen K-Wert. Letztlich stammte das Rot aber leider bloß von angestrahlten Wolken. Das Blau in den Lücken dazwischen rührte von gestreutem Mondlicht her: Nur darin sah man Sterne
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