Mondillusion - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Mondillusion
Knapp nach dem östlichen Auf- und kurz vor dem westlich Untergang weilt der Mond nahe dem Horizont. In Sommernächten bleibt der Vollmond überhaupt gern in Horizontnähe hocken, selbst bei seinem Höchststand im Süden.

Er erscheint uns dabei größer als hoch droben am Himmel. Man spricht von der "Mondillusion".
Eigentlich kleiner, nicht größer!

Es ist schon seltsam: Nahe dem Horizont besitzt der Mond an sich einen kleineren Winkeldurchmesser als hoch droben am Firmament!
Denn in Horizontnähe wirkt die atmosphärische Refraktion mit Abstand am stärksten. Die Brechung der Lufthülle hebt den unteren Mondrand etwas kräftiger an als den oberen, weshalb die Mondscheibe vertikal gestaucht erscheint. Somit wäre auch die Fläche der Mondscheibe eine Spur geringer - wie das Mondaufgangsfoto unten belegt. Klettert der Mond höher, reduziert sich diese vertikale Stauchung sehr rasch.
Außerdem ist der auf- bzw. untergehende Mond definitiv weiter vom Betrachter entfernt: Dann kommt nämlich noch der Halbmesser der Erde (6.378 km) zur mittleren Monddistanz (384.400 km) hinzu. Klettert der Mond höher, reduziert sich die Zusatzstrecke. Am Himmelsscheitel, dem Zenit, wäre sie null.
Der Mond am Horizont würde somit im Mittel 30,6 Bogenminuten messen. Wo man ihn gleichzeitig am Himmelsscheitel sähe, hätte er hingegen 31,1 Bogenminuten Durchmesser. Überm Horizont erscheint uns der Mond somit um etwa 1,5% kleiner als im Zenit.
Warum glauben wir dann, der Mond sei größer?

Obwohl der Mond am Horizont also kleiner ist als sonst, nehmen wir ihn größer wahr. Die Erklärung für dieses Paradoxon ist nach wie vor umstritten. Weiter unten werde ich Ihnen aber ein klärendes Experiment vorschlagen.
Hypothese 1: Mit Vertrautem verknüpft

Steht der Mond nahe dem Horizont, verbinden wir ihn optisch mit Referenzpunkten, also mit irdischen Objekten - wie Bäumen, Häusern oder Fenstern. Wir wissen, dass diese Objekte eine bestimmte Größe besitzen, weshalb uns auch der Mond größer anmutet. Hoch droben am Himmel fehlen solche Referenzen - dort erscheint der Mond in tatsächlicher Dimension.
Hypothese 2: Ein Spiel der Perspektive

Wir wissen, dass die Perspektive irdische Objekte mit zunehmenden Abstand zu uns schrumpfen lässt - das betrifft z.B. Eisenbahnschinen, Straßen, Wolken, Bäume usw.. Unser Gehirn korrigiert diesen perspektivischen Effekt und nimmt dabei auch den nahe am Horizont weilenden Mond mit. Wir sehen ihn deshalb übergroß. Weiter droben am Himmel fehlt die Perspektive, weshalb uns der Mond in korrekter Dimension erscheint.
Hypothese 3: Ein evolutionärer Vorteil?

Als Jugendlicher sah ich die Sendereihe "Rendezvous mit Tier und Mensch" des überaus prägenden österreichischen Verhaltensforschers Prof. Otto Koenig. Wie er erzählte, würden Menschen Objekte am Horizont übergroß wahrnehmen. Dies sei ein evolutionärer Vorteil - sowohl beim Jagen als auch auf der Hut vor Räubern. In diesem Fall würden wir natürlich auch den Mond am Horizont vergrößert zu sehen glauben. Weiter oben verschwindet der Effekt.
Das Guckrohr-Experiment

Vielleicht bringt folgendes Experiment Licht in die Sache:
Formen wir mit unserer Hand ein Guckrohr oder verwenden wir eine Küchenrolle dazu! Mit einem Auge betrachten wir nun den niedrig stehenden Mond durch das Guckrohr - also völlig isoliert von irdischen Objekten.
Mit dem anderen Auge schauen wir uns den Mond gleichzeitig zusammen mit irdischen Objekten an. Bevor die beiden Bilder verschmelzen - welches wirkt größer? Wir wechseln die Augen - welcher Mond sieht nun größer aus?

Offensichtlich ist es die Zusammenschau mit irdischen Objekten, die dem niedrig stehenden Mond in Übergröße kleidet. Das würde wohl für die Hypothese 1 sprechen - oder?
Beobachtungsaufgaben

  • Nehmen Sie die refraktionsbedingte Abplattung nahe am Horizont wahr?
  • Empfinden Sie den Mond am Horizont besonders groß?
  • Ist das Phänomen von der Art der horizontnahen Objekte abhängig?
  • Stellt es sich auch bei unverbauter Landschaft (z.B. auf dem Meer) ein?
  • "Schrumpft" der Mond, während er sich höher schwingt?
  • Wiederholen Sie obiges Guckrohr-Experiment - wie urteilen Sie?
  • Fotografieren Sie den Mond am Horizont mit einem Teleobjektiv. Halten sie ihn noch in der gleichen Nacht höher am Himmel fest, natürlich mit exakt der selben Brennweite. Vermessen Sie die Mondbilder später. Ihr Resultat?
Fototipps gefällig?
Der Mond lässt sich mit einer DSLR ohne Teleskop (dafür aber mit einem starken Teleobjektiv) sowie durchs Teleskop fotografieren. Bei niedrigem Stand verschmiert die Luftunruhe allerdings die Details.

Teleobjektive fangen ein, wie die Refraktion das Mondbild kurz nach dem Aufgang bzw. kurz vor dem Untergang verzerrt und wie es von der Extinktion gerötet wird.

Mit Normalobjektiven oder leichten Teles kann man den niedrig stehenden Mond zusammen mit der Landschaft oder mit Gebäuden festhalten.
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