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Weihnachtsstern - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

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Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Der Stern von Bethlehem
Jupiter und Saturn stehen zu Weihnachten am Abendhimmel. Vielleicht diente ein Treffen von Jupiter und Saturn einst als himmlische Vorlage für den Weihnachtsstern. Vielleicht war es auch eine Begegnung von Jupiter und Venus. Das kommt ironischerweise auf den Sprachraum an. Die Betonung liegt jedenfalls auf "vielleicht". Denn so klar, wie bei uns gern behauptet wird, ist die ganze Geschichte keineswegs.  


Ein Künstler prägte unsere Sicht

Zu Beginn des 14. Jh. erhielt Giotto di Bondone den Auftrag, einen Freskenzyklus für die Cappella degli Scrovegni in Padua zu erstellen. Seine 38 höchst eindrucksvollen Fresken entstanden von 1304 bis 1306 und widmeten sich unter anderem dem Leben Jesu.

Über die Anbetungszene zu Bethlehem setzte Giotto einen Schweifstern. Der Maler hatte kurz zuvor, im Jahr 1301, den Halleyschen Kometen mit eigenen Augen beobachtet. Giotto hinterließ nicht nur die erste realistische Kometendarstellung der Kunstgeschichte - er prägte auch unsere Vorstellung vom Weihnachtsstern ganz entscheidend. Deshalb zeigt sich der "Weihnachtsstern" in Auslagen und Straßenbeleuchtungen heute gern mit Schweif. Das wirkt sowieso dekorativer.
Doch war der Stern von Bethlehem wirklich ein Komet? Oder wenigstens ein himmlischer Stern? Und muss es dieses Gestirn überhaupt gegeben haben?


Tag, Monat, Jahr - alles unsicher

Nur der Evangelist Matthäus berichtet von einem "Stern", der Weise aus dem Morgenland nach Bethlehem geführt haben soll - um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen.

Wir  wissen aber weder Zahl, noch Rang noch Namen dieser Besucher. Die Vorstellung von den „Heiligen drei Königen“ und damit der Brauch des Sternsingens fußen auf jüngeren, außerbiblischen Ideen.
Wir kennen außerdem weder Tag noch Monat von Jesu Geburt. Unser Termin des Weihnachtsfests, der 25. Dezember, basiert auf dem Wunsch Kaiser Aurelians, die "unbesiegbare" Sonne im ganzen römischen Reich verehrt zu wissen - und auf einer falschen Annahme zum Datum der Wintersonnenwende.


Foto links: Darstellung des Weihnachtssterns in einer kleinen orthodoxen Kirche auf Rhodos
Wir wissen nicht einmal, in welchem Jahr wir suchen sollten. Zwar wird König Herodes im Geburtsbericht des Matthäus erwähnt, doch dessen Todesdatum ist umstritten. Zu dessen Datierung werden zwei unterschiedliche Mondfinsternisse herangezogen.
Für die Mehrzahl der Historiker starb Herodes im Jahr 4 v. Chr.; womöglich geschah dies aber erst drei Jahre später.



Grafik links:
Ein Mondfinsternis soll dem Tod des historischen Königs Herodes vorangegangen sein. Wahrscheinlich war es diese vom 13. März 4 v. Chr.
Gab es eine reale Vorlage?

Welches reale Himmelsphänomen könnte Matthäus' Bericht theoretisch zu Grunde liegen? Eine allzu häufig auftretende Erscheinung (z.B. eine  helle Sternschnuppe) käme nicht in Frage, denn ihr fehlte es an Bedeutung.
Wahrscheinlich eignen sich Kometen (oben ein Foto des Kometen Hale-Bopp aus dem Jahr 1997) ebenfalls nicht zur Eklärung des biblischen Sterns. Denn die damals nicht vorher berechenbaren Schweifsterne wurden eher als Störung der himmlischen Ordnung betrachtet.

Für neu aufstrahlende Sterne - Novae, Supernovae - fehlen sichere außerbiblische Belege, z.B. Einträge in Chroniken.
Geeignete Vorlagen wären Planetentreffen, sogenannte „Konjunktionen“ – vor allem, falls die Weisen Nachfahren babylonischer Priester­astronomen waren. Denn diese hatten Konjunktionen vorher­berechnen können; sie kannten das reiche Omenwesen Mesopotamiens und wussten wohl um die messianischen Erwartungen der Juden.

Konjunktionen besitzen einen gewaltigen Vorteil: Wir kennen die Planetenbahnen dank Kepler, Newton und weiteren Gelehrten mit großer Präzision. Astronomen können die planetaren Bewegungen daher über Jahrtausende hinweg verlässlich zurück rechnen. Sie sind dabei keineswegs auf historische Berichte oder Chroniken angewiesen.  
Im deutschen Sprachraum wird im Zusammenhang mit dem Weihnachtsstern häufig an die Begegnung von Jupiter und Saturn in den Fischen erinnert, die 7 v. Chr. stattfand. Die Grafik oben zeigt den Anblick am 17. November dieses Jahres.

Der Schwabe Johannes Kepler war der erste, der auf diese Konjunktion verwies. Das planetare Treffen hätte einen neuen Stern hervorgebracht, spekulierte Kepler in Prag; und diese Nova hätte dann Eingang ins Matthäus-Evangelium gefunden.

1825 ließ der Astronom Ludwig Ideler in seinem Handbuch der Chronologie die vermeintliche Nova Keplers wieder weg und beschränkte sich allein auf die erwähnte Konjunktion. Für Ideler war es somit nicht mehr ein Stern, auf den sich Matthäus bezogen hätte - es waren zwei.

Der 2007 verstorbene österreichische Astronomiehistoriker Konradin Ferrari d’Occhieppo baute diese Hypothese ab 1965 aus.

Wie Ferrari d’Occhieppo in seinem Buch Der Stern von Bethlehem argumentierte, galt den Babyloniern Jupiter als Symbol für „König“. Das ist plausibel.

In Saturn sahen sie angeblich das Sinnbild für das Volk der Juden - eine Behauptung, für die sich in mesopotamischen Quellen bis heute kein Nachweis finden ließ. Völlig spekulativ ist d’Occhieppos Annahme, wonach der rechte Teil des Sternbilds Fische damals für Palästina gestanden hätte.

Somit hält die Indizienkette nicht. Dennoch verweisen Planetarien im deutschen Sprachraum in ihren Vorweihnachtsshows gern auf diese Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 7. v. Chr. in den Fischen. Der starke deutsch-österreichische Bezug ist wohl Grund dafür.
Englischsprachige Planeterien zeigen ihren Besuchern zumeist einen anderen "Weihnachtsstern": Dort denkt man eher an die engen Begegnungen von Jupiter und Venus im Löwen in den Jahren 3. bzw. 2. v. Chr. (das Foto oben, geschossen auf Rhodos, hält eine solche Begegnung im Jahr 2015 fest). Das Judentum wurde im Alten Testament mit einem Löwen verglichen, was als Argument für diese Konjunktionen dienen mag.

Sie kämen allerdings beide zu spät, sollte Herodes schon 4 v. Chr. gestorben sein - wovon die meisten Historiker ja ausgehen.
Bloß ein Symbol?

Die Evangelien wurden drei bis sechs Jahrzehnte nach Jesu Tod geschrieben. Matthäus war also kein Augenzeuge des von ihm erwähnten „Sterns“. Wir wissen nicht, auf welche astronomische Erscheinung er sich bezieht. Wir wissen nicht einmal, ob er dies überhaupt je vorhatte.

Vielleicht diente der Stern dem Matthäus bloß als Symbol, um eindrucksvoller an alte Weissagungen anzuschließen und um Jesus als den von den Juden erwarteten Messias präsentieren zu können.

So steht im 4. Buch Mose, in der Weissagung des am Euphrat wohnenden Propheten Bileam: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel“. Der Stern steht hier stellvertretend für eine mächtige Persönlichkeit, die noch erscheinen wird.

Juden interpretieren dies als Hinweis auf den König David, einem späten Nachfahren des Jakob. David führte Kriege gegen Nachbarvölker und schuf ein jüdisches Großreich.
König David mit Szepter und Harfe am Schönen Brunnen in Nürnberg
In der Zeit der römischen Besatzung sehnte man sich wieder nach einem mächtigen König wie David. Er sollte am besten aus dessen Geschlecht stammen. Weil es mittlerweile viele Nachkommen Davids gab, sahen viele eine Zusatzbedingung: Der neue König der Juden sollte auch aus dessen Stadt Bethlehem stammen.

Christen beziehen erwähnte Prophezeiung Bileams stattdessen gern auf den erwarteten spirituellen Erlöser. Nicht unbedingt ein Widerspruch, denn Jesu Ziehvater Josef stammte laut Bibel tatsächlich aus dem Geschlecht Davids. Er folgte diesem, so Matthäus, etliche Generationen später. Auch der Evangelist Lukas betont mit Blick auf Bethlehem: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“

Matthäus muss also gar nicht an einen richtigen Stern, ein richtiges Himmelsereignis gedacht haben, als er seinen Geburtsbericht schrieb. Vielleicht ist ihm das Gestirn bloß ein Symbol, um an die alte Erlösungsverheißung – „ein Stern geht in Jakob auf“ - anzuknüpfen.
Womöglich hat Matthäus das himmlische Zeichen schlicht erfunden, um die Bedeutung von Jesu Geburt auch auf diesem Weg nochmals hervorzuheben.

Der dann nur vorgeblich existierende Stern mag ihm als Sinnbild der Hoffnung bzw. des Trosts gedient haben.

Ähnlich verfahren wir noch heute: Man denke nur an den Begriff "Sternenkind" für früh verstorbene Kinder.

Foto links: Matthäus-Figur am Schönen Brunnen, Nürnberg
Und auch für Macht konnte und kann der Stern stehen. Warum sonst zieren Sterne etliche Wappen, darunter die von mehr als 50 Nationalstaaten der Erde? Tatsächlich trägt jeder vierte Staat dieser Welt einen Stern in seinem Banner!

Wahrscheinlich sollen diese Sterne Macht demonstrieren - aber auch eine besondere Beziehung zwischen einer weltlichen Institution und den himmlischen Mächten suggerieren. Das von Menschen Geschaffene holt sich durch eine solche Verbindung zum erhabenen, ewiglich scheinenden Sternenhimmel gleichsam besondere Legitimität, also eine naturgegebene Rechtfertigung seiner Existenz. Außerdem schenkt man ihm so den Anschein von alles überdauernder Beständigkeit.
Geschichte und Geschichten
Früher wurden Weisheiten gerne in Geschichten  verpackt, um diese leichter von einer Generation zur nächsten weiterreichen zu können. Demnach wären auch in der Bibel Glaubensbotschaften eingekleidet worden, um sie leichter erzählen zu können.

Dann aber könnte man den Stern des Matthäus bloß als schmückendes Beiwerk betrachten, als reines Produkt der Fantasie dieses Evangelisten. Alle Versuche, ihn mit einem tatsächlichen Himmelsereignis zu verknüpfen, wären dann Makulatur.

Dennoch nützen manche Astronomen den Weihnachtsstern noch immer, um kurz vor Jahresende auf ihre Kunst zu verweisen. Und das, obwohl der große Galileo Galilei schon vor 400 Jahren davor gewarnt hatte, die Bibel als Naturkundelehrbuch zu begreifen.
Literatur zum Thema

  • Matthäus-Evangelium. Kapitel 1 und 2 (Geburtsbericht Jesu)
  • Johannes Kepler: Vom wahren Geburtsjahr Christi, Verlag Marie Leidorf, Rahden 2016
  • Konradin Ferrari d’Occhieppo: Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht (Brunnen-Verlag, mehrere Auflagen)
  • Roger W. Sinott: Thoughts on the Star of Bethlehem, Zeitschrift Sky & Telescope, Dec. 1968, 384
  • Aaron Michael Adair: Science, Scholarship, & Bethlehem's Starry Night, Zeitschrift Sky & Telescope, Dec. 2007, 26
  • Rahlf Hansen: Kepler und der Stern von Bethlehem, Zeitschrift Sterne und Weltraum 1/10 - Januar 2010
  • David Flusser: Jesus (rororo)
  • Christian Pinter: Ein Stern mit Fragezeichen – über den Stern von Bethlehem, Wiener Zeitung, Beilage Wiener Journal, 24.12.2014
  • Christian Pinter: Babylonisches Omen, Wiener Zeitung, Beilage extra, 7.12.2007
  • Christian Pinter: Helden des Himmels (Kremayr & Scheriau, 2009) - ein Abschnitt des Buchs widmet sich der babylonischen Himmelskunde


Alle Angaben ohne Gewähr - Text, Fotos & Grafiken © Christian Pinter   

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